Supervision


 
 

Supervision ­ im zusammenfassenden Überblick:

Was ist Supervision?
Supervision ist eine arbeitsfeldbezogene und aufgabenorientierte Beratung der Berufstätigkeit für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Führungskräfte der verschiedensten Berufsgruppen.

Supervision bezieht sich ebenso auf die Reflexion fachlicher und institutioneller Zusammenhänge wie auf die Weiterentwicklung persönlicher Fähigkeiten der zu beratenden Person(en).

Es handelt sich um einen längerfristiger Gesprächsprozeß, der die ausgeübte Berufstätigkeit ca. ein Jahr oder länger mit ca. 90­minütigen Sitzungen bei individuell vereinbarten Zeitabständen (zwischen 2 und 4 Wochen) begleitet.
 

Wer nimmt Supervision in Anspruch?
Klienten für eine Gruppensupervision sind ein Subsystem einer Institution (Teams, Projektgruppen o.a.) oder auch eine Gruppe, deren Mitglieder verschiedenen Institutionen angehören.

In der Einzelsupervision sind die Klienten einzelne Personen. Das können Führungskräfte oder auch Basis­MitarbeiterInnen sein, für die das Setting einer Einzelsupervision, meist außerhalb ihres Arbeitsplatzes in der Supervisionspraxis des gewählten Supervisors sinnvoll ist.

Supervision wird inzwischen von einem breiten Spektrum von Fachkräften verschiedenster Berufsgruppen in Anspruch genommen. Dazu gehört u.a. die Vielfalt der Institutionen der Sozialarbeit, Pädagogik, Erwachsenenbildung, Medizin, Psychologie, Seelsorge, Justiz, Verwaltung sowie Wirtschaft, Forschung und Technik.
 

Wer bietet Supervision an?
Supervision wird von Fachleuten angeboten und durchgeführt, die für die komplexen Aufgabenstellungen der Supervision speziell ausgebildet worden sind.

Sie haben entsprechende Feldkompetenz (Fachkenntnisse über verschiedene Arbeitsfelder des Sozial­ und Bildungswesens, verschiedene Dienstleistungsbereiche und Profitorganisationen).

Sie verfügen über Organisationskompetenz (Verstehen unterschiedlicher Organisationen, deren Anliegen, Strukturen und Arbeitsaufgaben).

Dazu gehört auch die entsprechende Beratungskompetenz, die bedeutet, MitarbeiterInnen, LeiterInnen und andere Organisationsangehörige bei der Reflexion ihrer Arbeit professionell begleiten zu können.

Außerdem verfügen sie über Subjektkompetenz, was bedeutet, daß sie ein hohes Maß an persönlicher Eigenschulung erfahren haben, die es ihnen ermöglicht, ihre eigene Person optimal dem Beratungsprozeß zur Verfügung zu stellen.
 

Was ist Gegenstand der Supervision?
Gegenstand von Supervision sind die professionellen Interaktionsfelder der KlientInnen. Dazu gehört die Interaktion mit den Adressaten der Arbeit (PatientInnen, SchülerInnen, KlientInnen, Kunden) ebenso sowie die Interaktionen mit KollegInnen und Vorgesetzten und auch die laufende Auseinandersetzungen mit den Anforderungen der Organisation in ihren historischen und gesellschaftlichen Kontexten.

In der Supervisionssitzung werden aktuelle Erfahrungen aus diesen Interaktionsfeldern aufgegriffen und aus verschiedenen Blickwinkeln reflektiert.
 

Wozu ist Supervision nützlich und hilfreich?
Berufstätige Menschen, die sich für einen Supervisionsprozeß als Einzelberatung, in einer Gruppe oder im Team entscheiden, werden dabei begleitet und unterstützt:


 
 

Woher kommt "Supervision" und was ist das eigentlich?

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Die Anfänge von Supervision haben ihre Wurzeln sowohl in den USA als auch in Großbritannien und Deutschland in der Praxis freiwilliger Wohltätigkeitsorganisationen des 20. Jahrhunderts.

Pionierinnen der Sozialarbeit setzten sich bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts dafür ein, sowohl organisierend, leitend und lehrend als auch unterstützend die Sozialarbeit freiwilliger MitarbeiterInnen zu begleiten, die damals hauptsächlich im Bereich der Gemeindearbeit geleistet wurde. Später wurde dieses erste praktische "Beratungs"­Modell auch auf fest angestellte und auszubildende SozialarbeiterInnen angewandt.

Die ersten Supervisoren waren also erfahrene, in einer Organisation fest angestellte Sozialarbeiterinnen, die sowohl Ausbildung als auch Unterstützung von Sozialarbeit gewährleisteten sowie eine administrative Kontrolle im Sinne ihrer Organisation für ihre Mitarbeiter ausübten.

Auch in der Ausbildung von Psychotherapeuten wurde und wird immer noch ein wesentlicher Teil ihrer Ausbildung durch verpflichtende Lehr­ und Kontroll­Supervisionen gewährleistet, die von berufserfahrenen und dazu ausgebildeten TherapeutInnen durchgeführt werden.

Bis heute sind in den USA und Großbritannien diese frühen Supervisionstraditionen mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Komponenten bedeutsam geblieben.

Auch die Bezeichnung "Supervision" und die Ableitung des Begriffs aus dem Lateinischen Super = über und videre = sehen verweist auf den Kontrollaspekt dieser Tätigkeit, wie sie ursprünglich verstanden wurde und wie die Definition des Begriffs "Supervision" auch heute noch im Fremdwörter­Duden nachzulesen ist.

Mit wachsender Profilierung und immer breiterer Anwendung wurde "Supervision" zum Analyse­Gegenstand. Zwischen 1920 und 1945 erschienen die ersten Veröffentlichungen zum Thema "Supervision", basierend auf der Praxis der Sozialarbeit und überwiegend auf die Methodik der Fallarbeit konzentriert. [1] Diese ersten Veröffentlichungen bezogen sich auf das eingangs beschriebene praktizierte früheste angelsächsische Modell. [2]

Durch die Diskussion von "Supervision" in einer breiteren wissenschaftlichen und praktizierenden Öffentlichkeit traten die Chancen und Schwierigkeiten dieses ursprünglichen Modells deutlicher zu Tage und führten im Lauf der folgenden Jahrzehnte zu weitreichenden Veränderungen von Absichten, Arbeitsinhalten und Methoden von Supervision.

Eine Entwicklung alternativer Konzepte wurde einerseits durch die seit 1946 in den USA intensiv betriebene sozialpsychologische Forschung akzentuiert, deren Interesse vor allem auf das soziale Lernen von Gruppen und auf das Lernen über Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Gruppen konzentriert war. [3] Durch ein wachsendes sozialwissenschaftliches Forschungsinteresse an sozialen Kontexten einerseits und durch die Entwicklung von Systemtheorien und systemischen Beratungsansätzen andererseits veränderte sich die Auffassung von Supervision.

Es entstand eine Vielzahl verschiedener Supervisionskonzepte, die bei allen methodischen Differenzen jedoch eines gemeinsam hatten: sie wollten ihre Klienten beratend und deren Berufstätigkeit reflektierend begleiten und keine Kontrolle über die Berufstätigkeit ihrer Klienten ausüben. Auch in Untersuchungen von anglo­amerikanischer Literatur zu Supervision von 1960 bis 1977 zeigten sich deutliche Veränderungen gegenüber dem traditionellen Modell, die sich vor allem auf folgende Punkte bezogen:
 

Die administrativ­leitende Funktion des Supervisors sollte von der fachlich unterrichtenden Funktion getrennt werden.
Supervisoren sollen nicht kontrollieren, sondern vielmehr ihre KlientInnen beraten und zur Erleichterung ihrer Arbeit beitragen.

Mit der Hervorhebung der beratenden und lehrenden Funktion von SupervisorInnen wurde nun die hierarchische durch eine partnerschaftliche Beziehung mit dem Ziel einer gemeinsamen Problemdefinition und ­lösung ersetzt. [4]

Auch in Deutschland wurde im Gefolge gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, unter anderem ausgelöst durch die Studentenbewegung Ende der 60er­Jahre, nach Möglichkeiten der Veränderbarkeit von Individuum und Institution gefragt. Es wurde nach Alternativen für die herkömmlichen Institutionen gesucht, woraus ein enormer Bedarf nach Reflexion über die Arbeit in bestehenden und zu schaffenden Institutionen entstand. [5] Durch solche Fragen verstärkte sich die Konzentration auf Supervision für Gruppen und Teams. Die Reflexion institutioneller, organisationsspezifischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge entwickelte sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Supervision. Dementsprechend wuchs auch das Interesse anderer Berufsgruppen, Supervision als Instrument zur Förderung ihrer professionellen Entwicklung in persönlichen und institutionellen Belangen einzusetzen.


 

Supervision heute

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... möchte ich hier kurz mit einer Definition umreißen, die ich wesentlich von G. Fatzer übernehme: Supervision stellt ein Verfahren dar, bei dem Einzelpersonen, Teams/Gruppen oder Organisationen mit Hilfe eines Supervisors arbeitsbezogene Problemstellungen in Verbindung mit Team­ oder Organisationsdynamik reflektieren. Von ihrer Zielsetzung her soll sie Unterstützung in immer komplexer werdenden Situationen in Organisationen sein, weiter Unterstützung im Bereich des Lernens und Leitens, nicht aber der Legitimation und Kontrolle. [6]
 

 
 

Was ist Supervision vor dem Hintergrund von Situationsdynamik?

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Wenn in der (SD)Supervision Individuen zusammenkommen, um miteinander ihre berufliche Situation zu bearbeiten, setzen sie sich dem sozialen Miteinander und Gegeneinander aus, das hier und jetzt in der Supervisionsgruppe erlebt wird. Die Anwesenden (re)konstruieren, erleben, reflektieren, verstehen und gestalten in der Supervisions­Situation ihre berufliche Wirklichkeit.

(SD)Supervision kann man als Arbeit an der Arbeit [7] in all ihren persönlichen, sozialen und institutionellen Belangen verstehen. Ihr Ziel möchte ich als aufgeklärtes, deutlich intendiertes berufliches Handeln der Klienten beschreiben.

Das (SD)Supervisions­Konzept ist aus zeitgeschichtlichen und geisteswissenschaftlichen Fragen sowie Theoriebildungen der Studentenbewegungen Ende der 60er­Jahre hervorgegangen. Ohne in ihrer weiteren Entwicklung historische und geisteswissenschaftliche Wurzeln zu vernachlässigen, konzentriert sich (SD)Supervisionspraxis und Forschungstätigkeit auf die aktuell erlebte Situation ihrer Klienten und orientiert sich lernend auch an deren Entwicklungs­ und Gestaltungsprozessen. Für die grundlegende Haltung von (SD)SupervisorInnen ist ein reflektierter und praktizierter Situationsbegriff ausschlaggebend, den ich wie folgt beschreiben möchte:
 

Situation läßt sich als Versuch einer Beschreibung von sich selbst in Beziehung zur Welt als zeitlich und räumlich definiertes Konstrukt verstehen.

 
Solche Beschreibungsversuche sind alltägliche Vorgänge im Leben aller Menschen, die nicht immer bewußt geschehen.

Solche auch unbemerkt geschehenden Beschreibungen dienen dem Versuch der Bewältigung von unausweichlichen Spannungen, die im Individuum selbst auftreten und die im institutionellen Zusammenleben unvermeidlich zwischen dem Einzelnen und anderen auftreten. Während der Einzelne seine Situation beschreibt, erklärt er sie sich selbst und anderen, gibt ihr so einen sozialen Sinn und schafft auf diesem Wege Ordnung in seiner Welt. [8]

Vor dem Hintergrund von Situationsdynamik ist Supervision folglich immer ein Gesprächsprozeß in der gegebenen Situation. Der Gesprächsprozeß läßt sich durch vier Aspekte der Situation nicht nur strukturieren, sondern auch in seiner Dynamik nachvollziehen und gestalten.

Diese vier Aspekte sind die Ich­, Wir, Sach­ und die intentionale Dynamik der Situation, deren gegenseitige Bedingtheit es ermöglicht, die Komplexität der gegebenen Situation wahrzunehmen und gestaltend Einfluß darauf zu nehmen. [9]

Die Idee und Konzeption der Situationsdynamik dient als sozialwissenschaftliche Grundlage situationsdynamischen Arbeitens dem professionellen Einsatz verschiedener Reflexions­ und Beratungsansätze, die auf der Basis systemtheoretischer Grundlagen sowohl psychoanalytische als auch gruppendynamische und systemberaterische Modelle je nach Bedarf ihrer Klienten zur Verfügung stellen bzw. miteinander verbinden kann.

Im Gegensatz zur Organisationsentwicklung greift (SD)Supervision nicht mit Umstrukturierungsmaßnahmen in institutionelle Abläufe ein, sondern gewährleistet die professionelle Begleitung der Reflexion beruflichen Handelns ihrer Klienten in ihrer Institution bzw. ihrer Organisation. Klienten können ein Subsystem in einer Institution  oder auch eine Gruppe sein, deren Mitglieder verschiedenen Institutionen angehören bzw. eine einzelne Person in der Einzelsupervision. [10]

 

 
1Gunnar Bernler / Lisbeth Johnsson , "Supervision in der psychosozialen Arbeit", S. 56 ff., Weinheim, Basel 1993 
2 Gunnar Bernler / Lisbeth Johnsson , "Supervision in der psychosozialen Arbeit", S. 56 ff., Weinheim, Basel 1993 
3 Wolfgang Rechtien, "Angewandte Gruppendynamik", S. 20ff., München 1992 
4 Gunnar Bernler / Lisbeth Johnsson , "Supervision in der psychosozialen Arbeit", S. 61, Weinheim, Basel 1993 
5 Cornelia Rappe­Giesecke, "Theorie und Praxis der Gruppen ­ und Teamsupervision", S.1f., Heidelberg 1990
6 G. Fatzer, Klaus Eck, "Supervision und Beratung", S. 54, Köln 1990 
7 G. Fatzer, Klaus Eck, "Supervision und Beratung", S. 141, Köln 1990 
8 "Definition der Situation", in Lexikon zur Soziologie, S.142, Opladen 1988 
9 Deutsche Gesellschaft für Situationsdynamik e.V. "Arbeitspapiere in der Ausbildung zum Supervisor" , Ludwigshafen 1991 
10 Cornelia Rappe­Giesecke, " Theorie und Praxis der Gruppen­ und Teamsupervision", S.10 f. Heidelberg 1990